Kopfparty

Ein Mann, deutlich älter als ich steht bei mir am Thresen. Wir verstehen uns kaum, was nicht an unterschiedlicher Sprache liegt, sondern vielmehr daran, dass es schon wieder Donnerstag ist. Jeden Donnerstag ist im Airbräu, den Vermietcountern gegenüber Livemusik.
Er gibt mir zu verstehen, dass er eine Reservierung habe, welche ich auch kurzerhand gefunden und mir auf den Bildschirm gerufen habe. Da der gute Herr nicht das erste Mal bei uns gemietet hat, finde ich seine Daten im System und alles was ich nun noch zu tun habe, ist seinen Führerschein zu kontrollieren. Den legt er mir auch vor. Ich habe bereits sehr viele Führerscheine gesehen, aus aller Welt, nicht alle, aber viele. Nun hielt ich das erste Mal einen ägyptischen Führerschein in der Hand. Hmm … sieht aus wie ein Bibliotheksausweis, keine Ahnung was drauf steht, nur so Kringel. Ich frage kurz, ob er denn einen internationalen Führerschein, welcher ja bekanntermaßen zur Übersetzung dient, auch dabei hätte. Nach einem Kommentar, den ich hier nicht erwähnen möchte reicht er mürrisch das Dokument, welches mir die lustigen Zeichen auf dem schönen bunten Papier übersetzt. Ihre Kollegen akzeptieren den Führerschein auch so. – Das ist schön antworte ich leider ist mein ägyptisch unter aller Sau. Ein wenig später frage ich ihn ob er Russisch spricht, worauf er mich fragt ob ich Spanisch spreche. Nachdem wir beide verneinten, fasste ich zusammen, dass es schon mal vorkommen kann, dass es Sprachen gibt die man nicht spricht. Ich glaubte er hätte ein wenig Verständnis, dass man nicht alle Sprachen beherrschen kann. Offensichtlich nicht.

Dies ist leider kein Einzelfall. Ich möchte auch nicht bestimmte Kundenkreise über einen Kamm scheren. Aber verdächtig auffällig sind Gäste, die vor Jahren ins Ausland, bevorzugt USA und Kanada, auswanderten und nun ihre Familie hier besuchen oder geschäftlich unterwegs sind. Ich habe manchmal das Gefühl, sie glaubten sie wären Lord Kacke. Sie geben sich unheimlich wichtig mit ihrem amerikanischem Pass mit Geburtsort [beliebiges Kaff mit zwei Kuhställen hier einsetzen]. Manche gehen sogar so weit, dass sie nicht einmal mehr deutsch sprechen wollen. Sie schmeißen mir einen amerikanischen Führerschein und eine amerikanische Kreditkarte auf den Counter und wenn ich nach dem Pass frage, halten sie auf einmal ein kleines weinrotes Buch in Händen. In diesem Moment fallen den meisten auch wieder die ersten deutschen Worte ein.
Interessant ist es da am Sonntag, my personal english speaking day, da grob geschätzt 90% unserer Kunden englisch sprechen. Da sind dann viele gebürtige Schluchtenscheißer Österreicher und Deutsche dabei. Bei Einigen, um nicht zu verallgemeinern, haben die Gemeinden bestimmt ein Fest gefeiert nachdem diese ausgesiedelt sind. Meistens sind es eben auch genau die Menschen, die dann meinen, jetzt seien sie schon so viele Jahre weg und hier hat sich nichts geändert. Stimmt irgendwie, eines wird sich so schnell nicht ändern: Wie man in den Wald hineinruft …
Aber immer freundlich bleiben. Ich für meinen Teil, feiere meine eigene kleine Kopfparty, wenn solche Kunden dann im Wagen sitzen und weg sind.

Geposted am Freitag, 20. Oktober 2006 so gegen 17:18
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